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Das Ausscheiden von Beamten im Zuständigkeitsbereich des badischen Kultusministeriums 1933-1935

Die nationalsozialistische Machtübernahme im Jahr 1933 führte auch in Baden zu gravierenden personellen Umbesetzungen im öffentlichen Dienst. Diese lassen sich für den Zuständigkeitsbereich des Kultusministeriums wenigstens in groben Zügen durch die Personalnachrichten nachvollziehen, die regelmäßig im Amtsblatt des Ministeriums mitgeteilt wurden. Sie vermerkten, zumeist im Monatsturnus, die Ernennungen, Versetzungen, Eintritte in den Ruhestand, Entlassungen und Todesfälle von Personen, die an den Schulen, Hochschulen und in den vom Land unterhaltenen kulturellen Einrichtungen tätig waren. Über die Vollständigkeit dieser Personalnachrichten lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine präzisen Angaben zu machen – hier wäre zum Beispiel zu prüfen, ob sich die für die drei badischen Landesuniversitäten inzwischen gut dokumentierten Entlassungen aus rassistischen und politischen Motiven in den Amtsblättern vollständig widerspiegeln. Die folgenden Hinweise versuchen keinen Gesamtüberblick über das Personalrevirement im Zuständigkeitsbereich des Kultusministeriums, sondern konzentrieren sich auf das Ausscheiden von Beamten aus dem Dienst als Teilaspekt.

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Beamte, die ihre Beschäftigung im Zuständigkeitsbereich des badischen Kultusministeriums in den Jahren 1933-1935 beendeten | Klicken zum Vergrößern

In den beiden Jahren unmittelbar nach der Machtübernahme waren im Amtsblatt des badischen Kultusministeriums 1.056 Personen vermerkt, die von ihren Stellen entfernt wurden oder ausschieden. Signifikant ist diese Zahl vor allem im Vergleich zum Jahr 1935, in dem dies lediglich auf 169 Personen zutraf. Dem Ende der Beschäftigungszeit dieser Personen konnten mehrere Ursachen zu Grunde liegen: Es bestand beispielsweise die Möglichkeit des normalen Eintritts in den Ruhestand mit Erreichen des Pensionsalters oder auch das Ausscheiden aus gesundheitlichen Gründen, die das Ausüben des Berufes unmöglich machten. Andererseits waren auch politische oder rassistische Kriterien ursächlich für das Ende der Karriere. Häufig ist die Unterscheidung zwischen möglichen Ursachen nicht so eindeutig, wie es zunächst scheinen mag. Bei einem Großteil der Beamten, die den Zuständigkeitsbereich des Kultusministeriums in den Jahren von 1933 bis 1935 verließen, wurden im Amtsblatt Begründungen für deren Ausscheiden genannt.

Dabei wurde das Ausscheiden aus dem Dienst im Jahr 1933 zu etwa 17 Prozent  mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 begründet. Dieses diente dem nationalsozialistischen Regime dazu, unliebsame Beamte aus politischen und rassistischen Gründen aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Im Jahr 1933 wurden die §§ 3, 4 und 6 des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ als Ursache für Entlassungen genannt, wobei insbesondere § 3 häufig Erwähnung fand. Er bezog sich auf Beamte „nicht-arischer“ Abstammung, welche „in den Ruhestand zu versetzen“ oder, sofern es sich nicht um Ehrenbeamte handelte, „zu entlassen“ seien. Von § 3 ausgeschlossen waren „nichtarische“ Beamte, die bereits vor August 1914 im Dienst gewesen waren oder im Ersten Weltkrieg für das Deutsche Reich beziehungsweise dessen Verbündete gekämpft hatten, ferner Beamte, deren „Väter oder Söhne im Weltkrieg gefallen“ waren. § 4 bezog sich auf Beamte, die bezüglich ihrer politischen Einstellung nicht ohne Zweifel „für den nationalen Staat“ eintraten. Nach einer Ablauffrist von drei Monaten nach Entlassung erhielten diese nur noch drei Viertel ihres vorherigen Ruhegeldes sowie die entsprechende Hinterbliebenenversorgung. § 6 sollte die Verwaltung vereinfachen und nannte die Möglichkeit der Versetzung von noch nicht dienstunfähigen Beamten in den Ruhestand, wobei deren Stellen nicht neu besetzt werden durften.

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Begründungen für den Austritt von Beamten aus dem Zuständigkeitsbereich des badischen Kultusministeriums im Jahre 1933 | Klicken zum Vergrößern

Kurz vor dem reichsweiten „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ hatte es einen Erlass Robert Wagners gegeben, der als überzeugter Antisemit bekannt war und nach der nationalsozialistischen Machtübernahme kommissarisch die politischen Geschäfte in Baden übernommen hatte. Die Anordnung des späteren badischen Reichsstatthalters betraf allein den Staat Baden und sah die unmittelbare Beurlaubung aller jüdischen Beamten vor. Allerdings trat der radikale Erlass Wagners mit dem reichsweiten „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ unmittelbar außer Kraft. Diese Konstellation konnte in manchen Fällen sogar dazu führen, dass Beamte, die unter Wagners kompromissloser Anordnung den Schuldienst hätten verlassen müssen, bei Inkrafttreten des reichsweiten Gesetzes wiedereingestellt wurden: so auch im Falle des Lehrers Ulrich Bernays, der am Goethe-Gymnasium in Karlsruhe unterrichtete und auf Anordnung Wagners beurlaubt wurde, da er jüdische Großeltern hatte. Mit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wurde Bernays allerdings wiedereingestellt, da er als „Altbeamter“, der vor dem August 1914 seinen Dienst angetreten hatte, unter eine Ausnahmeregelung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (§ 3 Abs. 2) fiel. Mit dem „Reichsbürgergesetz“ 1935 galt Bernays schließlich als „Volljude“ und war damit nach § 4 des besagten Gesetzes kein Reichsbürger, was dazu führte, dass er und alle anderen jüdischen Beamten, die zuvor eine Ausnahmeregelung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ geschützt hatte, aus dem Dienst entlassen wurden.

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Begründungen für den Austritt von Beamten aus dem Zuständigkeitsbereich des badischen Kultusministeriums im Jahre 1934 | Klicken zum Vergrößern

Im Jahre 1934 wurde lediglich bei fünf Prozent der begründeten Entlassungen noch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ genannt. Im Gegensatz zum Vorjahr, in dem somit die rassistischen und politischen Verdrängungen weitgehend abgeschlossen worden waren, schieden die meisten dieser Personen aufgrund der §§ 5 und 6 aus; nur eine einzige Entlassung wurde mit § 3 begründet. § 5 besagte, dass sich ein Beamter „die Versetzung in ein anderes Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn“, irrelevant ob von niedererem Rang, unter Erfordernis des dienstlichen Bedürfnisses „gefallen lassen“ müsse, wobei der Beamte seine vorherige Amtsbezeichnung sowie sein ursprüngliches Einkommen weiterhin behielt. Den Beamten stand bei einer Rangabstufung außerdem frei, innerhalb einer Frist von einem Monat eine Versetzung in den Ruhestand zu beantragen. Im Jahre 1935 wurde schließlich kein Beamter mehr aufgrund des Gesetzes vom 7. April 1933 aus dem Zuständigkeitsbereich des badischen Kultusministeriums entlassen. Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ war demnach einer der Gründe für den zahlenmäßig stark erhöhten Anstieg der Entlassungen im Jahre 1933.

Im Jahr 1935 wurden bei 88 Prozent der Beamten Gründe für deren Ausscheiden aus dem Dienst genannt, davon 26 Prozent „gesundheitliche Gründe“. Bei der Angabe von „gesundheitlichen Gründen“ handelte es sich in vielen Fällen mit Sicherheit um Personen, die ihren Beruf tatsächlich nicht mehr ausüben konnten. Allerdings gibt es auch einige Beispiele von Personen, bei denen die Angabe gesundheitlicher Probleme vorgeschoben wurde: so beispielsweise im Falle des Oberregierungsrates Georg Schmitt, der in der Volksschulabteilung des Karlsruher Kultusministeriums tätig war. Schmitt schien als ehemaliger Sozialdemokrat als politisch unzuverlässig, weshalb eine Entlassung nach § 4 des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ in Frage kam. Nominell erfolgte sein Ausscheiden im Jahre 1933 allerdings „wegen leidender Gesundheit“; einen entsprechenden Antrag zu stellen, hatte ihn sein Vorgesetzter im Ministerium, ein profilierter nationalsozialistischer Parteimann, genötigt.

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Begründungen für den Austritt von Beamten aus dem Zuständigkeitsbereich des badischen Kultusministeriums im Jahre 1935 | Klicken zum Vergrößern

Etwa 15 Prozent des Ausscheidens aus dem Dienst im Zuständigkeitsbereich des badischen Kultusministeriums im Jahre 1935 wurden mit dem „Gesetz über die Zurruhesetzung von Beamten“ vom 17. Juli 1933 begründet (Link zur Quelle), ausnahmslos aufgrund des § 1 und „auf Ansuchen“. § 1 besagte, dass ein Beamter, „der das 58. Lebensjahr vollendet hat, auf sein Ansuchen in den Ruhestand versetzt werden kann, auch wenn er noch nicht dienstunfähig geworden ist.“ Das Ruhegehalt belief sich in einem solchen Fall auf den vollen Betrag, den der Beamte bekäme, hätte er bis zum planmäßigen Rentenalter gearbeitet. Das „Gesetz über die Zurruhesetzung von Beamten“ intendierte, ähnlich wie das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, den Austausch der Beamtenschaft. Primär sollten langjährige Beamte jüngeren Kollegen, die sich in der Partei verdient gemacht hatten und das nationalsozialistische Gedankengut zuverlässig vertraten, ihren Posten übergeben. Bei all diesen Personen ist vermerkt, sie hätten sich „auf Ansuchen“ in den Ruhestand versetzen lassen− diese Zurruhesetzung geschah allerdings in vielen Fällen nicht freiwillig. Wie bei den Zurruhesetzungen aus Gesundheitsgründen ist auch bei diesen Frühpensionierungen anzunehmen, dass sich dahinter etliche Fälle versteckter politischer Verdrängung finden lassen. Dass man diesen Personen dann im Amtsblatt noch attestierte, sie seien „unter Anerkennung des nationalen Opfersinnes“ in den Ruhestand getreten, mochte mancher als Hohn empfunden haben. Unter dieser Rubrik verließ in den Jahren 1933 und 1934 je etwa die Hälfte der Personen, bei denen eine Begründung für den Austritt vorlag, ihre Stelle. Dass die Quote der Ruhestandseintritte unter „Anerkennung des nationalen Opfersinns“ 1935 rapide absank, dürfte nicht in erster Linie daran gelegen haben, dass die „Verjüngung“ der Beamtenschaft nun als abgeschlossen betrachtet wurde. Vielmehr spielte wohl eine Rolle, dass die zahlreichen Frühpensionierungen die Staatskasse ungebührlich belasteten und nicht länger finanzierbar waren.

Etliche Beamte mussten ihre Arbeit im Zuständigkeitsbereich des badischen Kultusministeriums in der Anfangsphase der nationalsozialistischen Herrschaft niederlegen. Viele wurden aufgrund offen genannter politischer oder rassistischer Kriterien auf Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen. Neben diesen offensichtlich mit dem Nationalsozialismus zusammenhängenden Fällen gab es allerdings Beamte, deren begründetes Karriereende zunächst nicht auffällig erscheinen mag. Oft wurde ein freiwilliges oder krankheitsbedingtes Austreten allerdings nur suggeriert, und bei näherer Betrachtung der Fälle dürfte sich der Druck von Vorgesetzten als eigentliche Ursache des „freiwilligen“ Ausscheidens erweisen. Häufig wurde in diesen Fällen das Vorschieben gesundheitlicher Gründe, das Verlassen ihres Postens „auf eigenes Ansuchen“ oder auch der Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand auf Grundlage des „Gesetzes über die Zurruhesetzung der Beamten“ von einflussreichen Vorgesetzten nahegelegt. Eine eindeutige Bestimmung der Einzelschicksale würde deshalb Nachforschungen zu jeder im Amtsblatt aufgeführten Person notwendig machen.

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