Robert Wagner, Gauleiter, Reichsstatthalter in Baden und Chef der Zivilverwaltung im Elsass
Robert Wagner wurde am 13. Oktober 1895 in Lindach bei Eberbach am Neckar als Robert Heinrich Backfisch geboren. Später nahm er den Mädchennamen der Mutter an. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges brach er die von ihm begonnene Lehrerausbildung ab und meldete sich als Freiwilliger. Das Soldatendasein lag ihm: bäuerlich-kleinbürgerlich sozialisiert, aus protestantischem Hause, strebte er nach einer disziplinierten, einfachen sowie anständigen Lebensführung und nach ehrenhafter Pflichterfüllung. Innerhalb kürzester Zeit stieg er zum Leutnant auf und erhielt mehrere Auszeichnungen.
Das Ende des Krieges am 9. November 1918 empfand Wagner als „unglücklichste[n] Tag [seines] Lebens.“1 Statt die Lehrerausbildung wieder aufzunehmen entschied er Berufssoldat zu werden. Die deutsche Niederlage, das Ende der Monarchie und der von ihm als Schmach empfundene Versailler Vertrag markierten höchstwahrscheinlich den Beginn von Wagners Politisierung. 1923 nahm der damals 28-Jährige am Hitlerputsch teil, was zu seiner Entlassung aus der Reichswehr führte. Ohne Abitur, ohne abgeschlossene Ausbildung und ohne Beruf widmete sich Wagner von nun an ganz der „Bewegung“. In seiner badischen Heimat machte er sich an den Aufbau der NSDAP. 1925 betraute Hitler ihn mit der dortigen Gauleitung. Ab diesem Zeitpunkt sollte er beinahe unangefochten über zwei Jahrzehnte lang der mächtigste Vertreter des Nationalsozialismus in Baden, später auch im Elsass, sein.
Nach der Machtübertragung übernahm Wagner kurzerhand kommissarisch die politischen Geschäfte in Baden. Sogleich begann er mit der Gleichschaltung des Landes und der Verfolgung politischer Gegner. Ab Mai 1933 bekleidete er zusätzlich das staatliche Amt des Reichsstatthalters und war somit die vom Reich befugte Aufsichtsinstanz über die Landesregierung. Schließlich, im Juni 1940, nach dem schnellen Sieg der Wehrmacht über Frankreich, wurde Robert Wagner Chef der Zivilverwaltung im Elsass und er verlegte seinen Verwaltungssitz nach Straßburg.
Wagners Handeln war maßgeblich von seinem hohen Maß an Organisations- und Führungstalent als auch von seinem Sinn für Propagandaarbeit geprägt. Seine badische Interessenspolitik gegenüber dem Reich – besonders im Bereich der Wirtschaft – brachte ihm Rückhalt in der örtlichen Bevölkerung. Selbst seine rücksichtslose, aus tiefer antisemitischer Überzeugung geführte Vertreibungspolitik hatte zum Teil kalkulierende, auf Machtdemonstration zielende Elemente. Bereits im Oktober 1940 – also ein Jahr vor dem Beginn der planmäßigen Massendeportationen aus dem Reich – initiierte Wagner gemeinsam mit dem Gauleiter der Westmark, Josef Bürckel, die Abschiebung einer großen Zahl badischer, pfälzischer sowie elsässischer Jüdinnen und Juden in das südfranzösische Internierungslager Gurs. Deren geraubtes Vermögen ließ der auf Ordnung und Rechtschaffenheit beharrende Wagner akribisch verwalten und zu Gunsten des Landes Baden versteigern. Auch im Elsass bestimmten Wagners Ambitionen zum mustergültigen Nationalsozialisten seine Politik. Dort verfolgte er eine beispiellos rapide, einem antifranzösischen Kreuzzug gleichende Volkstumspolitik, mit der er die von Hitler vorgegebene Zehnjahresfrist zur Germanisierung des Elsass noch unterbieten wollte. Diese Politik hatte aber letztendlich einen gegenteiligen Effekt.
Nach dem Krieg, im April 1946, wurde Wagner für seine im Elsass begangenen Verbrechen vor ein französisches Militärgericht gestellt. Am 3. Mai 1946 verkündete das Gericht Wagners Todesurteil. Er wurde am 14. August 1946 um 5 Uhr morgens hingerichtet.
Blogartikel mit Bezug zu Robert Wagner:
Katrin Hammerstein: Kriegsteilnehmer, jung, Parteigenosse. Bemerkungen zu den badischen Ministern
Moritz Hoffmann: Propaganda in bewegten Bildern: „Der Staatsakt vom 8. Mai 1933“
Tobias Sowade: „Die Beamten […] mit dem bestmöglichen Rüstzeug für die Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben auszustatten“: Die Eröffnung der Verwaltungsakademie in Straßburg am 18. Dezember 1940
Ludger Syré: Otto Wacker als Hauptschriftleiter des „Führer“ in der Weimarer Republik
Ludger Syré: Die badischen Nationalsozialisten ehren ihren verstorbenen Minister
Adelheid Wibel: Das Ausscheiden von Beamten im Zuständigkeitsbereich des badischen Kultusministeriums 1933-1935
Frank Engehausen: Materialsammlung für ein Heldenepos? Ein Bericht über den Tod des Ministerialdirektors Karl Gärtner beim Rückzug der deutschen Besatzer aus Straßburg im November 1944
Literatur:
Ferdinand, Horst: „Die Misere der totalen Dienstbarkeit. Robert Wagner (1895-1946), NSDAP-Gauleiter, Reichsstatthalter von Baden, Chef der Zivilverwaltung im Elsaß,“ in: Eberbacher Geschichtsblatt 91 (1992), S. 97-209.
Kettenacker, Lothar: Nationalsozialistische Volkstumspolitik im Elsaß. Stuttgart 1973.
Syré, Ludger: „Der Führer vom Oberrhein. Robert Wagner, Gauleiter, Reichsstatthalter in Baden und Chef der Zivilverwaltung im Elsaß“, in: Michael Kißener und Joachim Scholtyseck (Hrsg.): Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg, Konstanz 1997, S. 733-779.
Vonau, Jean-Laurent: Le Gauleiter Wagner. Le boureau de l’Alsace, Strasbourg 2011.
Biografie auf dem Onlineportal leo-bw
- “Der Führer,” 10.03.1937. [↩]
Sehr geehrte Damen und Herren,
soweit mir bekannt, war ein Bruder des Robert Wagner (Backfisch) Lehrer in Oberprechtal.
Außerdem kenne ich eine Person aus der Verwandtschaft.
Meine Frage:
Wo kann ich mehr über die Familie (Eltern, Geschwister, Neffen/Nichten) des Robert Wagner
erfahren.
Gerne höre ich von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Moser
Von 1957-1959 wohnten wir in Neckarbischofsheim bei Sinsheim. Mein Schulweg in der 2.Klasse führte mich durch den
Wiesenweg. Dort, hieß es, lebten Verwandte des Robert Wagner. Genaueres war nicht bekannt.