Schreiben des badischen Innenministeriums an die Bezirksämter über die Durchführung des Gleichschaltungsgesetzes vom 19. Juli 1933
Nach Auflösung des Zentrums am 5. Juli 1933 stellte sich die Frage, was mit den Mandaten der Partei geschehen sollte. Das Verfahren in Baden wurde im Schreiben des Innenministeriums an die Bezirksämter vom 19. Juli 1933 festgehalten. Eine Parteineugründung kam für die Abgeordneten der aufgelösten Parteien nicht in Betracht, da dies durch das Gesetz über die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933 untersagt wurde. Anders als die Abgeordneten der am 22. Juni 1933 verbotenen SPD sollten die Zentrumsvertreter ihre Mandate allerdings nicht automatisch verlieren. Für diejenigen Abgeordneten, die sich zur Mitarbeit im nationalsozialistischen Staat eigneten, wurde der Übertritt in die örtliche NSDAP-Fraktion in Aussicht gestellt, entweder als Hospitanten oder als Mitglieder.
Die Problematik bestand nun darin, die nicht mehr als Abgeordnete in Frage kommenden Mandatsträger zu entfernen, ohne dass dies zu stark den Charakter einer politischen Säuberungsaktion aufwies. Damit unterschied sich das Vorgehen von dem gegenüber den Arbeiterparteien, deren Vertreter in Baden seit März 1933 entweder verhaftet oder deren Mandate kurzerhand aberkannt worden waren. Als Lösung wurde ein dreistufiges Verfahren vorgeschlagen: Missliebige Zentrumsabgeordnete sollten zunächst zum freiwilligen Mandatsverzicht überredet werden. Sollten sich einzelne Abgeordnete dem verweigern und es zu Unstimmigkeiten kommen, sollte der zuständige Landrat mit dem Kreisleiter der NSDAP und einem Vertrauensmann des Zentrums in gemeinsamer Beratung eine Lösung finden. Bei Uneinigkeiten zwischen dem Landrat und dem Vertreter der NSDAP bezog das Innenministerium zum jeweiligen Fall Stellung. Falls eine Einigung auch dann nicht zustande kam, konnte der Innenminister das Gremium auflösen und durch Ernennung geeigneter Kandidaten neu bilden.
In der Praxis übten die örtlichen NSDAP-Organisationen und das Innenministerium Druck auf die Abgeordneten und Vertrauensmänner des Zentrums aus, um diese zu einem Einlenken zu bewegen. Beispielsweise wurde in Lörrach dem Vertrauensmann des Zentrums vom Innenministerium die Auflösung des Gemeinderats angekündigt, falls die nicht genehmen Zentrumsvertreter nicht freiwillig zum Mandatsverzicht gebracht werden würden.[1] Im Amtsbezirk Tauberbischofsheim verweigerten mehrere Zentrumsgemeinderäte ihren freiwilligen Rücktritt. Daraufhin löste der zuständige Landrat der Weisung Pflaumers entsprechend die betreffenden Gremien auf und bildete sie neu.[2]
[1] Neisen, Robert, Zwischen Fanatismus und Distanz, Lörrach und der Nationalsozialismus, Bötzingen 2013, S. 62.
[2] Braun, Joachim, Nationalsozialistische Machtübernahme und Herrschaft im badischen Amtsbezirk/Landkreis Tauberbischofsheim, Wertheim 2014, S. 56-60.
Quelle: GLA 380/7450.