„Abschied von einer deutschen Mutter“. Die Inszenierung der Trauerfeier für die Obermedizinalratsgattin Elisabeth Schmelcher
Im Alter von nur 29 Jahren verstarb am 10. März 1939 Elisabeth Schmelcher, die Ehefrau des Obermedizinalrats im badischen Innenministerium und Leiters des Gesundheitsamts Karlsruhe Dr. Otto Schmelcher, kurz nach der Geburt ihres fünften Kindes. Wenige Tage später erschien in der badischen NS-Zeitschrift „Der Führer“ ein Artikel mit dem Titel „Abschied von einer deutschen Mutter“. Darin wird die Beerdigung in Karlsruhe als nationalsozialistische Feierlichkeit beschrieben und vor allem die Verstorbene als Idealbild einer deutschen Frau glorifiziert.
Dieser Bericht stellt eine eindrückliche Quelle für die Frage nach Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit und sozialer Verortung der Beamten und Beamtinnen in Familie, Netzwerken und Gesellschaft dar, denen neben Organisation und Tätigkeit in diesem Forschungsprojekt auch nachgegangen werden soll.
Über Elisabeth Schmelcher selbst ist neben den Umständen ihres Todes nur wenig und ausschließlich indirekt aus den Personalakten ihres Ehemanns bekannt. Sie wurde als Tochter des Direktors der Heil- und Pflegeanstalt Illenau, Ernst Thoma, am 13. August 1909 geboren. Dort war ihr späterer Ehemann von März 1919 bis September 1923 als Hilfsarzt angestellt. Mit 19 Jahren heiratete sie am 11. Mai 1929 den knapp 20 Jahre älteren Otto Schmelcher und bekam zunächst vier Söhne, im Februar 1939 eine Tochter.
Der Ablauf der Trauerfeier wurde maßgeblich von lokalen NSDAP-Funktionären gestaltet: Eine Abordnung politischer Leiter der Ortsgruppe Neureut hielt die Totenwache, die Trauerreden hielten der Ortsgruppenleiter Karl Buchleither, der zugleich Bürgermeister in Neureut war, und der Gaustellenleiter des Gauschulungsamts Belz. Für die musikalische Umrahmung sorgte der NSDAP-Kreismusikzug Karlsruhe, der zum Ausklang das „Lied vom guten Kameraden“ spielte.
Der Zeitungsbericht geht insbesondere auf die Rede des Gaustellenleiters ein, der Elisabeth Schmelchers Tod als tragisches Schicksal einer „deutschen Mutter“ darstellte, die bereit war „das größte Opfer zu bringen: Das Leben zu geben für das Fortbestehen des Blutes, der Sippe und des Volkes.“ Neben ihrer Opferbereitschaft idealisierte Belz ihre Zugehörigkeit zur nationalsozialistischen Volksgemeinschaft durch ihre Herkunft aus „einer kraftvollen, gesunden Sippe“. Er schilderte sie als „tapfere Frau“, die mit ihrem Opfer „ein Beispiel und ein Vorbild gegeben“ und, wie es einer deutschen Mutter entspreche, ihre Erfüllung im Ehe- und Familienleben gefunden habe.
Die Überhöhung der Mutterschaft als natürliche weibliche Aufgabe spielte in der nationalsozialistischen Ideologie eine bedeutende Rolle. Erwerbsarbeit und politische Öffentlichkeit sollten Männern vorbehalten bleiben, Frauen sich auf den privaten Raum der Familie beschränken. Belz brachte diese Geschlechterdifferenzierung im letzten Teil seiner Rede zum Ausdruck, in dem er daran erinnerte „daß wir über dem harten und lauten Kampf der Männer das stille Heldentum der deutschen Frau und Mutter nicht übersehen dürfen.“ Auch wenn dies eine gewisse Würdigung einschließt, wird doch die damit einhergehende Konstruktion von Ungleichheit zwischen den Geschlechtern deutlich.
In der Realität gestalteten sich die Rollenbilder und das Geschlechterverhältnis deutlich ambivalenter als das Ideal. Zwar zielten politische Vorgaben zunächst auf die Umsetzung und Förderung des Ideals ab, beispielsweise indem die Erwerbslosigkeit der Ehefrau finanziell begünstigt oder Frauen aus bestimmten, meist höher qualifizierten Berufen sowie dem öffentlichen Dienst hinauszudrängen versucht wurden. Doch auch vor Kriegsbeginn waren Frauen weiterhin als Arbeiterinnen und Angestellte in Berufen beschäftigt, die wenig mit Hausarbeit und Mutterschaft gemein hatten. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Anteil weiblicher Studierender, der durch die Beschränkung des Frauenstudiums auf 10 % unmittelbar nach der Machtübernahme sank, aber nach der Aufhebung der Bestimmung zwei Jahre später wieder moderat zunahm.
Die Veröffentlichung des Artikels im „Führer“ und die nationalsozialistische Ausgestaltung der Beerdigung wurden nach dem Krieg auch in Otto Schmelchers Entnazifizierungsverfahren thematisiert. Die Inszenierung wurde damit entschuldigt, dass Schmelcher die Organisation an Bürgermeister Buchleither abgegeben habe. Angesichts des Verlusts seiner Frau und der nunmehr alleinigen Verantwortung für fünf kleine Kinder habe Schmelcher dessen Angebot dankbar angenommen, sich um die Gestaltung der Beerdigung zu kümmern. Für den Inhalt der beiden Reden und die Veröffentlichung der Zeitschrift „Der Führer“ sei er deshalb nicht verantwortlich. Die Spruchkammer in Karlsruhe folgte dieser Darstellung und sah in diesem Punkt keine Belastung Schmelchers; Er habe den Nationalsozialismus nur unwesentlich unterstützt. Schmelcher wurde mit dieser Begründung im Oktober 1947 in die Gruppe der Mitläufer eingereiht und zu einer Geldstrafe von 700 Reichsmark verurteilt.