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Vom Fundus über den Kubus zum # – Zum fünfjährigen Jubiläum des schulübergreifenden Seminarkurses „NS in KA“

Mit jungen Menschen lokalgeschichtliche Themen erforschen und einer Öffentlichkeit vermitteln, das ist das zentrale Anliegen, das die Projektpartnerschaft „Nationalsozialismus in Karlsruhe“ mit dem gleichnamigen schulübergreifenden Seminarkurs in der Jahrgangsstufe 1 seit nunmehr fünf Jahren verfolgt. Die Verbindung aus wissenschaftlicher und künstlerischer Auseinandersetzung zu Persönlichkeiten oder Ereignissen vor Ort fordert und fördert interessierte Schüler*innen des Bismarck-, Goethe- und Helmholtz-Gymnasiums, die mit ihren Beiträgen die historische Forschung ergänzen und kreative Formen des Gedenkens erproben.
Nach wie vor stellt die Sichtung und Auswertung von Originaldokumenten einen Schwerpunkt dar, für die die Teilnehmehmer*innen vor allem aus den Beständen des ortsansässigen Generallandesarchivs und des Stadtarchivs schöpfen können. Aber auch immer häufiger werden Akten aus überregionalen Archiven wie zum Beispiel dem Bundesarchiv in Berlin angefordert oder wird auf private Unterlagen aus Familienbeständen zurückgegriffen, die die Recherchen zu den von ihnen gewählten Themen ergänzen. Parallel zur Archivarbeit werden die Schüler*innen an das Entwickeln wissenschaftlicher Fragestellungen sowie das wissenschaftliche Schreiben herangeführt, was sie zunächst in einem Exposé erproben und anschließend in circa 15-seitigen Arbeit umsetzen, von denen einige unter der Rubrik „Materialien“ auf dieser Internetseite veröffentlicht worden sind.

Darüber hinaus finden diese Arbeiten in überarbeiteter Form Eingang in den digitalen Stadtrundgang „Nie wieder – Stadtrundgang und Projekte auf den Spuren des Nationalsozialismus in Karlsruhe“ des Stadtjugendausschusses, indem sie dort die Basis für eine Station bilden (www.ns-in-ka.de). Sie stellen damit einen wesentlichen Beitrag zu dem aus den 1980er Jahren stammenden Geschichtsprojekt dar, das inhaltlich wie technisch aktuellen Informationsmöglichkeiten angepasst werden sollte. Dieser Ausgangsimpuls führte bei der konzeptionellen Vorbereitung des Seminarkurses 2014 zu einer kontinuierlichen ausgesprochen fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Museumskommunikation des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM), die Jahr um Jahr in mehrere öffentliche Präsentationen sowohl der Ergebnisse der wissenschaftlichen Erforschung als auch der von diesen ausgehenden persönlichen Reflexion des eigenen Themas einmündeten. Dabei entstanden immer wieder faszinierende einzelne Kunstobjekte, die in einem stets sich mitentwickelnden Ausstellungsdesign präsentiert wurden (https://zkm.de/de/projekt/ns-in-karlsruhe). Aktuell sind für den 27.06.2019, 5.07.2019, 22.07.2019 und 25.07.2019 unter dem Motto „Wie viel Geschichte steckt in dir?“ interaktive Stationen im öffentlichen Raum geplant, die zur Beteiligung, Betrachtung und Auseinandersetzung anregen und unter #dugeschichte auch einer digitalen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen.

Angedacht sind zudem Multiplikatoren*innenfortbildungen, um weitere Schulen und Institutionen – auch über Karlsruhe hinaus – zur Erforschung der NS-Geschichte zu animieren und um Möglichkeiten der Vernetzung auszuloten. Zudem ist ein Austausch der Stadtjugendringe Stuttgart, Mannheim und des Stadtjugendausschusses Karlsruhe geplant, um aus Lokalgeschichte überregionale Aufarbeitung werden zu lassen. Denn die nunmehr fünf Jahre währende Projektpartnerschaft „NS in KA“ unter dem Dach der Schülerakademie Karlsruhe hat gezeigt, dass die kontinuierlich reflektierte und weiterentwickelte Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen den jungen Menschen den Rahmen bieten kann, der sie befähigt, lokalgeschichtliche Beiträge auf hohem Niveau zu verfassen und durch diese sowie deren kreative Umsetzung einen wertvollen Beitrag zum aktuellen geschichtswissenschaftlichen wie gesellschaftlichen Diskurs zu leisten.

Ausstellungsdokumentation des Goethe Gymnasiums Karlsruhe

  • Uwe Steinhoff sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    meine Nachricht bezieht sich auf den Aufsatz „Wessen gedenken wir? Zur Vor- und Nachgeschichte einer Gedenktafel am BGH in Karlsruhe“ von Tristan Posselt, Noah Tarrago und Julian Schwirblat, der 2018 den Sonderpreis für besonders schulisches Engagement des Deutschen Anwaltsvereins gewonnen hat. Er ist offensichtlich unter ihrer Anleitung entstanden.
    Mein Name ist Uwe Steinhoff und ich bin Mitglied der Initiativgruppe Lager Mühlberg e.V., dieses Schreiben hier stellt meine persönliche Sicht und nicht die des Vereins dar.
    Einige Aspekte des Aufsatzes finde ich außerordentlich bedenklich und möchte Ihnen gerne meine Gedanken dazu mitteilen.
    Zunächst einmal möchte ich es sehr begrüßen, dass Sie vor Ort eine engagierte geschichtliche Arbeit mit den Jugendlichen betreiben, um ihnen die Vergangenheit, insbesondere die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts näher zu bringen. Auch in unserem Verein betreiben wir, gemeinsam mit der örtlichen brandenburgischen Gedenkstättenlehrerin Claudia Franke vom Philipp-Melanchthon-Gymnasium in Herzberg, eine intensive Jugendarbeit, in der wir uns gemeinsam mit den Schülern mit der Geschichte des Lagers Mühlberg (von 1939-1945 ein Kriegsgefangenenlager der Deutschen Wehrmacht und von 1945-1948 ein Speziallager des sowjetischen NKWD) auseinander setzen.
    Ich finde es richtig und gut, dass Sie bei ihrer Arbeit mit den Jugendlichen die Tafel im Bundesgerichtshof zum Anlass des Forschens und Nachdenkens genommen haben. Allerdings ist die Analyse in der Arbeit gleich an der Oberfläche stehen geblieben und das führt dann zu teilweise erschreckenden Ergebnissen.
    1. Die Rolle der Reichsgerichtsräte in der NS-Zeit. In der Arbeit steht, dass Frau Limperg die Kommission erst eingesetzt hat, die die Rolle der Reichsgerichtsräte in der NS-Zeit aufklären soll. Die Ergebnisse stehen bis heute, September 2019, aus. In der Arbeit jedoch wird anhand von zwei Urteilstexten mit drei beteiligten Reichsgerichtsräten summarisch eine Bilanz über das Wirken von 34 Reichsgerichtsräten in zwölf Jahren Diktatur gezogen. So, ganz ohne Kenntnis und Ansehen der Tatsachen, wird Geschichte bestimmt nicht aufgearbeitet. Es drängt sich deutlich der Eindruck auf, dass das Fazit schon vorher feststand und man deswegen der genaueren Untersuchung entraten konnte.
    2. Das Rechtsverständnis. Auf S. 6 schreiben die Autoren: „Alle anderen Urteile des Reichsgerichts lagern derzeit im Bundesgerichtshof in Karlsruhe, auf die wir keinen Zugriff haben. Aufgrund dessen können wir keine Mitschuld der anderen 31 Reichsrichter widerlegen.“ Verstehe ich es recht, dass die Mitschuld der Reichsrichter für die Autoren bereits feststeht und ein Aktenstudium allenfalls dazu dienen könnte, im Einzelfall deren Mitschuld zu widerlegen? Ich dachte, wir hätten heute andere Rechtsgrundsätze.
    3. Die Darstellung der sowjetischen Speziallager Mühlberg und Buchenwald sowie des Zuchthauses Waldheim. Offensichtlich wurde außer dem alten Artikel von Schaefer in der Richterzeitung überhaupt keine aktuelle Literatur verwendet. Der Gefangene Haller wird für die schlechte Behandlung der Reichsgerichtsräte verantwortlich gemacht. Dass über 6700 der etwa 22000 Gefangenen im Speziallager Mühlberg innerhalb von knapp drei Jahren ums Leben kamen, wird nicht einmal erwähnt. Dann wäre der Charakter des sowjetischen Speziallagers aber wesentlich klarer geworden. So jedoch schreiben die Autoren auf S. 5 von: „Opfern“ juristischer Willkür der sowjetischen Besatzungsmacht, und zeigen mit den Anführungszeichen deutlich eine Distanzierung von dem Begriff Opfer an. Zur Erläuterung dient dann gleich der nächste Satz, in dem gefragt wird, ob die Reichsgeräte zur NS-Zeit selbst denn genügend für eine „Rechtsprechung mit menschlichem Antlitz“ getan hätten. Diese Affirmation schlimmster stalinistischer Terrorpolitik nach dem Motto: es geschah ihnen recht, da sie selbst nicht besser waren, finde ich in unserer Zeit ungeheuerlich.
    Ich nehme an, mangels Kenntnis der Zusammenhänge, wird dann weiter lapidar berichtet, die letzten am Leben verbliebenen Reichsgeräte seien später in das Zuchtheim von Waldheim verbracht worden und einige Jahre danach, wer noch lebte, entlassen. Die Waldheimer Prozesse, ein „Missbrauch der Justiz zur Tarnung politischen Terrors“ (Falco Werkentin: Lexikon der politischen Strafprozesse), scheinen durchaus unbekannt zu sein, werden jedenfalls nicht erwähnt.
    Wenn man alle diese Fakten unterschlägt, um die Gedenktafel zu bewerten, operiert man hart am Rand der Geschichtslüge.

    Fazit: Es ist gut, dass sich heutige Jugendliche sich mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen. Wir müssen aber darauf achten, dass alle wichtigen Tatsachen erkannt und bedacht werden. Ganz sicher müssen auch Geschichtsurteile aus der Nachkriegszeit immer wieder neu bewertet werden. Unser Leitbild sollten dabei die Grundsätze unserer heutigen Demokratie sein. Deswegen kann niemals die Aufarbeitung und Verurteilung der NS-Verbrechen zu einer Relativierung des stalinistischen Terrors führen. Unrecht ist immer und jederzeit als solches zu kennzeichnen und auch im Gedenken den nächsten Generationen so weiter zu vermitteln. Das bitte ich, bei ihrer zukünftigen Arbeit zu beachten.
    Falls Sie oder Ihre Schülerinnen und Schüler Interesse haben, mehr über die Geschichte des Lagers Mühlberg zu erfahren, so stehe ich gerne dafür zur Verfügung.

    Mit freundlichen Grüßen
    Uwe Steinhoff

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