„Wie Karlsruhe die Volksweihnacht feierte“ – Nationalsozialistischer Weihnachtskult in Baden 1936
Festlichkeiten schenkte man unter nationalsozialistischer Herrschaft besondere Aufmerksamkeit, da diese im Allgemeinen dazu dienen sollten, die propagierte „Volksgemeinschaft“ zu etablieren und zu stärken. Diese „Volksgemeinschaft“ schloss Personen aus, die aufgrund von rassenbiologischen, politischen oder anderen Gründen nicht mit der nationalsozialistischen Ideologie vereinbar waren. Nach innen hingegen sollten die sozialen Unterschiede der „Volksgenossen“ wie Bildung, Herkunft und Vermögen nivelliert werden. Vor allem das Weihnachtsfest bot sich an, ein nationalsozialistisches Kollektiv mit Hilfe von überformten christlichen Motiven zu zelebrieren.
Die sogenannte „Volksweihnacht“ setzte sich zum Ziel, bedürftige Familien und Kinder aus ärmeren Haushalten zu unterstützen. Zu diesem Zweck wurden seit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft reichsweit Feiern auf öffentlichen Plätzen oder in großen Hallen organisiert, die maßgeblich durch private Spenden an die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) beziehungsweise deren Unterorganisation Winterhilfswerk des Deutschen Volkes (WHW) finanziert wurden.
Zeitgleich mit den Wintersonnwendfeiern (sogenannten Julfesten) einiger nationalsozialistischer Partei-Organisationen am 21.Dezember 1936 fand auch in der Festhalle Karlsruhe (an Stelle der heutigen Schwarzwaldhalle) solch eine „Volksweihnacht“ statt, über die das NSDAP-Parteiblatt „Der Führer“ tags darauf berichtete.
Gleich zu Beginn des Artikels weist der Autor auf die „schöne Sitte des nationalsozialistischen Deutschlands“ hin, den weniger gut situierten Familien zur Weihnachtszeit beizustehen, um „dem Glauben an die deutsche Gemeinschaft sichtbaren Ausdruck zu geben.“ Den Auftakt der Feierlichkeiten bildete ein „Weihnachtsmarsch“ durch die Straßen Karlsruhes, bei dem die Kinder der verschiedenen NSDAP-Ortsgruppen unter Musik von einem Fackelzug des Deutschen Jungvolks begleitet wurden. Auf dem Festhalle-Platz angekommen, wurde „unter den Klängen des Präsentiermarsches“ eine „feierliche Flaggenparade“ abgehalten und die Hakenkreuzflagge gehisst. Erst als dieser militärisch anmutende Auftakt beendet war, suchten die Kinder und Jugendlichen in ihren jeweiligen Ortsgruppen die verschiedenen Festsäle auf.
Begeistert beschreibt der Berichterstatter eine Szenerie, in der eine Augenzeugin ihrer Tochter die „Volksweihnacht“ erklärt und ausführt, dass sie zugunsten der ärmeren Kinder auf einen Teil der eigenen Geschenke verzichten müsse. „Diese Frau hat es verstanden, ihr Kind nationalsozialistisch zu belehren“, schließt er daraus und deutet an, wie sehr das Geschehen nicht nur militarisiert, sondern auch politisiert wurde.
Der große Festsaal war mustergültig dekoriert, wobei offenkundig sakrale Vorbilder genutzt und umgedeutet wurden. Anstatt einer Christusdarstellung umrahmten „die großen grünen Tannen unseres Schwarzwaldes eine Büste des Führers“ auf dem Podium, vor dem lange Bankreihen den Saal ausfüllten. Ein eigenwilliges Verständnis von „festliche[m] Schmuck“ offenbart sich angesichts der „zahlreiche[n] Flaggen des Reiches und der HJ“, die den Saal ausschmückten.
Neben anderen Ehrengästen der Lokalpolitik war auch der Reichstatthalter und Gauleiter Robert Wagner zur Karlsruher „Volksweihnacht“ geladen. Allerdings wandte er sich nicht selbst an die Gäste; stattdessen wurde zu Beginn der Feststunde die im Rundfunk übertragene alljährliche Rede Joseph Goebbels‘ gehört. Besonderen Dank für sein Kommen erhielt Wagner jedoch von Ortsgruppenleiter Schuhmann, dessen Begrüßungsrede in der Wahrnehmung des Verfassers ganz im Sinne der nationalsozialistischen Aushöhlung des Weihnachtsfestes stand.
Entsprechend der Ableitung des Weihnachtsfests aus ur-heidnischen Bräuchen benutzte Schuhmann in seiner Rede Lichtmetaphern, die sich auf die Wintersonnenwende bezogen und gleichzeitig auf politische Vorgänge anspielen sollten. Nach Jahren der Not strahle „die junge schenkende Kraft des Volkes“ wieder und entzünde „ das Licht der Freude“. Neben „germanischen“ Elementen spielte aber auch weiterhin der christliche Glaube eine Rolle, so dass zuweilen pseudo-religiöse Elemente mit nationalsozialistischer Ideologie vermischt wurden. Mit dieser „Freude“ kehre nämlich auch „der Glaube an das Leben und die Liebe derer, die eines Blutes sind, der Glaube an ein starkes und ewiges Deutschland“ ein. Die Rolle des allgegenwärtigen Heilands nahm in diesem Konstrukt Hitler ein, dem „alles Glück, das wir durch ihn empfangen“, durch noch mehr Loyalität und Opferbereitschaft vergolten werden sollte.
Nach der Bescherung endeten die Feierlichkeiten im großen Festhallesaal indes fast so, wie sie begonnen hatten: Einem Fanfarenchor folgten noch „besinnliche Worte“ und ein „Sieg Heil auf den Führer“. Wie stark die Karlsruher „Volksweihnacht“ unter der nationalsozialistischen Symbolik stand, wird am Ende erneut sehr deutlich, wenn der Autor des Artikels beschreibt, wie „erhebend noch einmal der Augenblick“ war, als „sich die kleinen Händchen zum deutschen Gruße streckten“.