Ausstellungseröffnung im Innenministerium
Beim folgenden Bericht über die Ausstellungseröffnung im Innenministerium handelt es sich um einen gekürzten Text aus der Hauszeitschrift IM-Intern, der uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Weitere Informationen zur Ausstellung, die bis zum 3. November 2017 für Besucher frei zugänglich ist, finden Sie hier.
Das 2014 vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg initiierte und koordinierte sowie von der Baden-Württemberg Stiftung finanzierte Forschungsprojekt „Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus“ ist nahezu abgeschlossen. Daraus ist auch eine Wanderausstellung entstanden, die nun seit dem 20.09.2017 Station im Innenministerium macht.
Das aktuelle Projekt untersuchte erstmals systematisch die Rolle der obersten Landesbehörden in Flächenstaaten während des Nationalsozialismus. Eine wichtige Erkenntnis ist eine neue Sicht auf die Rolle der Länderregierungen und ihrer Ministerien zwischen 1933 und 1945. Ging man bisher von einer weitestgehenden Gleichschaltung der staatlichen Verwaltungen durch die Berliner Zentrale aus, muss man nun größere Befugnisse als bisher geglaubt konstatieren. Somit wäre es damals oft möglich gewesen, Entscheidungen nicht oder in anderer Form zu treffen.
Im Projekt wurden auch die Karrieren damaliger Ministerialbeamter und ihre Fortsetzung nach Kriegsende beleuchtet. Wie überall in Deutschland kam es auch im Südwesten in großer Zahl zu einer erneuten Aufnahme in den öffentlichen Dienst.
Für die Ausstellungseröffnung konnten als Hauptredner die Historiker Prof. Dr. Engehausen, selbst Kommissionsmitglied, und die Projektmitarbeiter Dr. Neisen und Dr. Raichle gewonnen werden. Abteilungsleiter 1 Dr. Klee begrüßte die Gäste, unter denen sich auch Eugen Rupf-Bolz, der älteste Enkel von Eugen Bolz, befand. Ehefrau und Tochter Bolz‘ hatten den 2. Weltkrieg überlebt, er selbst war noch im Januar 1945 in Berlin-Plötzensee aufgrund seines Widerstands gegen das NS-Regime wegen Hochverrats hingerichtet worden. In seiner Ansprache wies Dr. Klee auf die Pflicht zu Erinnerung und Aufarbeitung hin und auf die Wichtigkeit, aus den Geschehnissen der Vergangenheit zu lernen.
Anschließend führte Dr. Engehausen in das Thema und die Arbeit der Kommission ein. Insbesondere ging er auf Bedeutung und Funktionsweise der Ministerien in den alten Ländern Baden und Württemberg und ihr Agieren zwischen den Direktiven aus der Reichshauptstadt Berlin und eigener regionaler Zuständigkeit ein. Hier ist interessant, dass nach den aktuellen Erkenntnissen die Länderministerien immer noch einen erheblichen Gestaltungsspielraum hatten und diesen auch mehr oder weniger ausnutzten. So wurden z.B. im Badischen Kultusministerium bereits aus eigenem Antrieb Vorarbeiten für eine Umgestaltung der Lehrpläne im Sinne der NS-Ideologie geleistet, ohne dass es hierzu Anweisungen oder gesetzliche Regelungen gegeben hätte. Das Württembergische Innenministerium hatte z.B. – anders als manche andere Länder – der Reichsregierung eine Tötungsanstalt für „lebensunwerte, minderwertige“ Personen angeboten (Aktion T4), was 1940 zu ihrer Einrichtung in Grafeneck als erste dieser Art und zum Beginn der Euthanasieverbrechen führte.
Weitere Ausführungen folgten von Dr. Neisen für das Badische Innenministerium unter Karl Pflaumer und von Dr. Raichle für das Württembergische Innenministerium unter Jonathan Schmid. Sie verloren durch die „Verreichlichung“ zwar wichtige Kompetenzen der Polizei-Abteilungen, aber beide konnten sich beträchtliche politische Einflussmöglichkeiten erhalten und teilweise auch neue hinzu gewinnen. Ein ständiges Problem stellten dabei jedoch – begünstigt durch Hitlers Abneigung gegen jede Form von Bürokratie – eigenmächtige Aktivitäten der NSDAP-Unterorganisationen vor Ort und die Notwendigkeit einer regelmäßigen Abstimmung mit den Gauleitungen der Partei dar.
Der Beamtenapparat beider Ministerien agierte teilweise unterschiedlich. Im Badischen Innenministerium in Karlsruhe kam es ab 1933 in zwei Wellen zur Platzierung zuverlässiger Nationalsozialisten, „Parteigenossen“ auch ohne Verwaltungserfahrung. Die Untersuchung der 64 Biographien und Karriereverläufe der Ministerialbeamten des höheren Dienstes zeigte einen hohen formalen Nazifizierungsgrad (59 von 64 Mitglied in der NSDAP), aber nur teilweise aus fester innerer Überzeugung; der Typus des ideologischen Kämpfers und Aktivisten blieb in der Minderheit (18 von 64). In Stuttgart fühlten sich die Mitarbeiter durch die langjährige Amtsführung Eugen Bolz‘, der bis zu seiner Entlassung Innenminister und Staatspräsident in Personalunion gewesen war, eher den Grundsätzen eines traditionellen loyalen Berufsbeamtentums verpflichtet.
In beiden Fällen wurde aber auch deutlich, dass die teils zurückhaltende, teils willfährige, teils skrupellose und auf die eigene Karriere bedachte Mitwirkung zahlreicher Landesbediensteter an der NS-Herrschaft in allen Hierarchiestufen die Durchsetzung und Ausgestaltung des Dritten Reiches und die Auswirkungen menschenverachtender Ideologie erst ermöglicht hat. Ein Beispiel dafür sind in beiden Ministerien die Medizinalabteilungen mit ihrer Umsetzung der Gesundheitspolitik als zentralem Anliegen der nationalsozialistischen Rassepolitik; zu Leitern der Gesundheitsabteilungen wurden fanatische „Rassehygieniker“ ernannt, Theodor Pakheiser für Baden und Eugen Stähle für Württemberg.
Im Anschluss gab es noch mehrere Fragen an die Referenten aus dem Publikum und eine lebhafte Diskussion.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich arbeite an dem Projekt „Stolpersteine für die jüdischen Mitbürger in Neckarzimmern“. Offiziell werden in der Reichsdeportiertenliste von 1941 12 Bürger aus Neckarzimmern genannt. Tatsächlich findet man aber 13 auf den Transportlisten von Gurs nach Auschwitz. Es ist höchstwahrscheinlich, dass man die zu der Zeit nach Frankfurt gezogene Frieda Falkenstein abholte und in die Züge in Heidelberg oder Mannheim setzte. Ihre aktuelle Adresse war bekannt, da sich Frau Falkenstein kurz vorher an das Innenministerium wandte, um Auskunft über den Verbleib ihrer geistig behinderten Schwester zu erlangen, die von der Behinderten-Anstalt Mosbach „verlegt“ worden war. Sie erhielt die Nachricht nach dem 17.09.1940. Die Gurs-Transporte waren am 22.10.1940.
M.E. hat das Innenministerium in diesem Zeitraum ein Amtshilfeersuchen an die Polizei in Frankfurt geschickt. Diese hat dann Frau Falkenstein aufgegriffen und nach Heidelberg oder Mannheim gebracht.
Können Sie mir bitte sagen, wie ich diese wahrscheinlich hektografierte Meldung suchen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Ehlert