„Nimm den Ausdruck, den Du in guter Mundsprache verwenden würdest.“ Forderungen zur Amtssprache des Beamtentums im Nationalsozialismus
Auch wenn Hitlers Abneigung gegen jedwede Bürokratie, sein außerhalb jeder Verwaltungsroutine liegender Regierungsstil und wohl nicht zuletzt das Agitieren der Nationalsozialisten gegen ein vermeintliches „Parteibuchbeamtentum“ seit den zwanziger Jahren den staatlichen Verwaltungseliten ein überaus schlechtes Image bescherten: Das Beamtentum war ein elitärer Berufsstand, der in seiner traditionell staatstragenden Funktion, mit der Expertise und seiner berufsständischen Machtposition eine zentrale Bedeutung für die Nationalsozialisten haben musste. Nicht zuletzt deshalb war der Zugriff auf diese Gruppierung von höchster Bedeutung, obwohl die Frage nach deren Rolle im „neuen Staat“ mit der Machtübernahme Anfang 1933 keinesfalls klar umrissen war. Auch wenn heute dank zahlreicher Studien kein Zweifel mehr darüber besteht, dass die Beamten – abgesehen von wenigen Ausnahmen – eine große Bereitschaft zur Unterstützung nationalsozialistischer Politik an den Tag legten und dabei nicht selten eigeninitiativ und „vorauseilend“ handelten: Besonders Akteure aus der staatlichen Verwaltung, in der Regel der traditionellen Ministerialbürokratie entstammend, aber ebenso aus zum Teil neu gegründeten Parteiorganisationen, Wirtschaftsverbänden und wissenschaftlichen Institutionen oder schlicht Gewährsmänner aus Hitlers Dunstkreis verhandelten sehr offensiv die Frage, wie der Beamte (und die Beamtin) im „Dritten Reich“ zu sein hatte. Es ging um die Fragen, welchen ideologischen Leitmustern die Handlungsstrategien des Beamten folgen sollten und wie sich das Verhältnis zwischen Beamtentum und Nationalsozialismus sowie Staat und Partei grundsätzlich zu gestalten hatte. Ganz wesentlich bilden sich diese Aushandlungsprozesse beispielsweise in Beiträgen in diversen Fachzeitschriften und Schriftenreihen der Beamtenschaft ab, auch im Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Schulungswesen können Leitbilder des Beamtentums im Nationalsozialismus identifiziert werden und nicht zuletzt zeigen auch die Gesetze und Verordnungen zwischen 1933 und 1945, welche Position den Beamten im NS-Regime zugedacht war.
Die Frage danach, wie der Beamte zu sein hatte, betraf viele Bereiche, trieb allerdings mitunter seltsame Blüten: In der Württembergischen Verwaltungszeitschrift stand beispielsweise wiederholt das Thema der „Amtssprache“ auf der Agenda. In der auf dem ersten Blick vollkommen unpolitischen Rubrik „Sprachecke“ wurde regelmäßig darüber informiert, welche Sprachmuster in der alltäglichen Verwaltungspraxis ersetzt und verknappt werden könnten. So kommentierte man etwa die vor allem intern gern genutzte Formel „Zur weiteren Veranlassung“: sehe „etwas faul aus“. Es wurde kurzerhand vorgeschlagen, dem Empfänger „deutlich“ mitzuteilen, „was zu geschehen hat“ bzw. andernfalls die Wendung, „das weitere zu besorgen“, vorzuziehen. Diesen pragmatisch veranlassten Anmahnungen wurden auch sprachlogische Fragen an die Seite gestellt: Die „Rückgabe nach gemachten Gebrauch“ erschien widersinnig, wurde doch ein Gebrauch durchaus nachvollziehbar als „selbstverständlich“ vorausgesetzt. Auch einzelne Wörter („diesseits, hierorts“ wurde zu „zu“) bzw. schwer verständliche Wendungen sollten durch von der „Sprachberatungsstelle des Deutschen Sprachvereins“ geprüfte Vorschläge ersetzt werden. Diese Rubrik liest sich heute mit einem Schmunzeln und scheint so manche Beamtenklischees zu bestätigen, sie erinnern nicht selten an Beamtenwitze oder politischen Debatten wenn es um „Bürokratisierung“ und den schon damals vielmals abschätzig gebrauchten Begriff des „Beamtendeutsch“ geht.
Allerdings ließen sich diese Überlegungen zur Amtssprache, die in ganz ähnlicher Argumentation schon vor 1933 und auch nach 1945 existierten, in ideologisch durchdrungenen Forderungen ganz einem Leitgedanken nationalsozialistisch geprägter Verwaltungsvorstellungen einpassen: Dies offenbart sich nicht nur in einer Ablehnung der Phrase „gegen den Beschluss wird nichts erinnert“, der als „altes und volksfremdes Aktendeutsch“ bezeichnet wurde. In einem Artikel zur Amtssprache aus dem Sommer 1934 wird darüber hinaus anschaulich dargestellt, welchen Hintergrund diese sprachlichen Korrekturen für den „deutschen Beamten“ besaßen: Die Nationalsozialisten zielten einerseits darauf ab, der Beamtenschaft, ganz dem ideologischen Konstrukt einer „Volksgemeinschaft“ entsprechend, über sprachliche Simplifikationen einen vermeintlich elitären Habitus zu entziehen. Der Beamte war „Volksgenosse“ und hatte sich zuvorderst über sprachlich „volksnahes“ Gebaren in dieses Gesellschaftskonstrukt einzupassen. Es ging darum, einem „neuen Geist Platz [zu] schaffen“, in „natürlichem Deutsch zu denken und zu schreiben“. Einfache, klare, präzise, flüssige Sprachformeln waren offenkundige Forderungen, „gepflegte Mundsprache“, die „Tatform“ anstatt der „Leideform“ zu nutzen und kurze Sätze waren die Devise in der „neue[n] Zeit“. Andererseits betonten die Nationalsozialisten bei jeder Gelegenheit die Abneigung gegen die lebensfremde Sprachpraxis der Beamtenschaft in der Vergangenheit: Das „zopfige, verholzte und verwelschte Amtsdeutsch“ stand in der Kritik, „ungefühltes verwaschenes Zeug“ zeige nur unklares Denken, die „Hauptwörtersucht“ und Befangenheit vieler Beamter und Juristen in Begriffsvorstellungen der Fachwissenschaft könnten weder „das Leben und die Vorgänge so schildern“, wie sie sich „vom Volke aus darstellen“, noch „einzelnen Volksgenossen gegenüber anschaulich und verständlich“ werden.
Wie sich an diesem Beispiel zeigt, wurde in dem Zusammenhang mit der Kommunikation darüber verhandelt, wie sich der „deutsche Beamte“ zu verhalten hatte und welche Leitvorstellungen seinem Handeln zugrunde gelegt werden sollten. Obwohl die Forderungen nach einer „neuen“ Sprachpraxis in den Amtsstuben des Reiches keinesfalls etwas „spezifisch“ Nationalsozialistisches waren, konnten über die neuen Sprachgewohnheiten der Beamtenschaft offenkundig Verbindungen zur Ideologie der Nationalsozialisten gezogen werden. Zugleich passten sich die Forderungen nach „Volksnähe“, Verständlichkeit und Knappheit in der Sprache des Beamten nahtlos in das Konstrukt der Volksgemeinschaft ein.
Quelle: Württembergische Verwaltungszeitschrift, Jg. 1933-1934.