Akten geben Auskunft – Quellen zu Biografien von Verwaltungsbeamten: Teil I – Die Personalakte
Einer der Schwerpunkte des Forschungsprojekts ist die Untersuchung der beruflichen und politischen Biografien der Ministerialbeamten. In der Archivarbeit begegnen hierzu im Wesentlichen vier Aktentypen: Personalakte, politische Beurteilung, Spruchkammerakte und Versorgungsakte. Diese werden nun in einer Reihe von Beiträgen vorgestellt.
Akten geben Auskunft – Quellen zu Biografien von Verwaltungsbeamten: Teil II – Die politische Beurteilung
Akten geben Auskunft – Quellen zu Biografien von Verwaltungsbeamten: Teil III – Die Spruchkammerakte
Akten geben Auskunft – Quellen zu Biografien von Verwaltungsbeamten: Teil IV – Die Versorgungsakte
Für die Erforschung der Biographien einzelner Personen sind die Personalakten, die bei den jeweiligen Dienstbehörden entstanden, von besonderem Wert. Sie enthalten Informationen zu verschiedensten Stationen einer beruflichen Karriere, zu Schul- und Studienzeiten sowie persönliche Angaben zur Familie. Insbesondere bei Juristen, die in ihrem Referendariat mehrere Ausbildungsstationen durchliefen und in ihrem Berufsleben unter Umständen bei mehreren Behörden über längere Zeit Dienst taten, wurden die Unterlagen aus diesen verschiedenen Stationen in eigenen Faszikeln zusammengefasst, so dass die Personalakten zu einer Person in mehreren Archiveinheiten verzeichnet sind.
Für die untersuchte Personengruppe des Forschungsprojekts, die Beamtinnen und Beamten der badischen Landesministerien und des Chefs der Zivilverwaltung im Elsass, finden sich im Generallandesarchiv in Karlsruhe Personalakten in den Ministeriumsbeständen 233 bis 237 sowie im Bestand 466-2 des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Letzterer umfasst 12.158 Personalakten, die über ein Onlinefindbuch und ergänzend über ein Findmittel vor Ort im Archiv recherchierbar sind. Im Bestand des Staatsministeriums 233 finden sich nicht nur Personalakten der Beamten dieser Behörde, sondern auch des Personals der übrigen Ministerien, da das Staatsministerium Einstellungen oder Beförderungen zustimmen musste.
Grundsätzlich beinhalten die Personalakten alle im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit einer Person angefallenen Unterlagen, wobei im Folgenden die Unterlagen aus der NS-Zeit im Fokus stehen. Im Einzelfall ist die Überlieferung sehr unterschiedlich, umfasst im Allgemeinen aber in fast jedem Fall eine Standesliste, die die wichtigsten biographischen Daten, Informationen über abgelegte Prüfungen, geleistete Militärzeiten und eine Übersicht über berufliche Stationen enthält. Etwaige dienstliche Verfehlungen sollten ebenfalls dort vermerkt werden. Gelegentlich findet sich darin auch ein fotografisches Portrait des Beamten. Nach der Erstellung des Formblatts wurden eingetretene Änderungen, zum Beispiel bei einem Wechsel des Dienstortes oder einer Ernennung, handschriftlich ergänzt.
In der NS-Zeit wurden neben bestandenen Prüfungen und einer ordnungsgemäßen Ableistung des Dienstes weitere Fragen für das berufliche Fortkommen bedeutend. Dazu zählten die politische Einstellung sowie die mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (Link) zur Voraussetzung für den Staatsdienst gewordene „arische“ Abstammung. Die Auflistungen aus der Standesliste wurden deshalb in sogenannten Personalnachweisungen um Fragen zu Mitgliedschaften in der NSDAP oder deren Organisationen sowie etwaigen Betätigungen für andere Parteien vor 1933 ergänzt. Darüber hinaus musste vermerkt werden, ob die geforderte arische Abstammung für den Beamten und gegebenenfalls auch für den Ehepartner vorliegt. Mitunter existieren für einen Beamten deshalb gleich mehrere Aufstellungen mit teilweise gleichen Informationen, da die unterschiedlichen Formblätter parallel zueinander geführt wurden. Die politische Einstellung und Familiengeschichte wurde darüber hinaus in separaten Bögen erfasst, die genauere Angaben erforderten. Beispielsweise musste der damalige Regierungsassessor Carl Dornes, später Referent und Generalbevollmächtigter für das jüdische Vermögen im badischen Innenministerium, Angaben zu möglichen früheren Mitgliedschaften in KPD oder SPD machen. Im Anschluss an die Fragen nach den beiden Arbeiterparteien musste er sonstige politische Mitgliedschaften, auch solche in der NSDAP oder in NS-Organisationen, angeben. In einem weiteren Schritt verlangte der Fragebogen Auskunft über Namen, Lebensdaten und Konfession von Eltern und Großeltern. Diese Angaben mussten durch Vorlage von Geburtsurkunden und Auszügen aus Standesämtern oder Kirchenbüchern erfolgen, die eine staatliche Behörde bestätigte. Dornes erhielt die Bestätigung durch Unterschrift seines Vorgesetzten, des Überlinger Landrats.
Zu den behördlichen Dokumenten zählen überdies die Ernennungs-, Beförderungs- bzw. Versetzungsanträge, die die am jeweiligen Vorgang beteiligte Behörde formulierte und über die Staatskanzlei dem Reichsstatthalter zukommen ließ. Bei deren Erstellung wurden die Informationen aus den oben genannten Formblättern, Zeugnissen und Lebensläufen verwendet. Nach einer Beschreibung des geplanten Einstellungs- oder Beförderungsvorgangs wurden die wichtigsten Eckpunkte des Lebenslaufs der betreffenden Person skizziert. In der NS-Zeit unterschieden sich die Formulierungen in den Ernennungsanträgen der Ministerien von denen der demokratischen Vorgängerregierungen insofern, als diese häufig politische Ausführungen zur Tätigkeit oder zur Einstellung des Beamten enthielten. Im Fall des Leiters der Gesundheitsabteilung Ludwig Sprauer, der dem zur NSDAP-Reichsleitung nach München versetzten Theodor Pakheiser nachfolgte, weist der Beförderungsantrag diesen als besonders geeignet aus, da er nach seinem Austritt aus der DNVP seit September 1932 Mitglied der NSDAP geworden war. Dem ausformulierten Ernennungsantrag, den der Reichsstatthalter anschließend dem Reichsinnenministerium zur Genehmigung vorlegte, wurde eine Vorschlagsliste, eine weitere tabellarische Übersicht, beigefügt, die wiederum die Angaben aus den oben bereits beschriebenen Formblättern zu Werdegang, beruflichen Stationen und politischer Zuverlässigkeit enthielt. Im Anschluss wurde bei einer positiven Beurteilung des Beamten die Ernennungsurkunde übermittelt beziehungsweise die Beförderung genehmigt.
Weitere in die Personalakten eingegangene Schreiben betrafen den Arbeitsalltag der Beamtinnen und Beamten. Dabei konnte es sich beispielsweise um Fragen der Besoldung, Beihilfen zu Umzügen oder Krankmeldungen handeln. Der damalige Direktor des Oberversicherungsamts in Konstanz Karl Häußner, der zuvor Landrat in Lörrach gewesen war, bat im Januar 1935 darum, ihm sein Aufwandsgeld in Höhe von jährlich 400 Reichsmark, das ihm in seiner vorherigen Position zustand, auch in seiner neuen Dienststellung zu bewilligen, da seine Versetzung andernfalls „den Charakter einer empfindlichen und sich alljährlich wiederholenden Disziplinarstrafe“ erhalte. Der spätere Referent in der Gesundheitsabteilung des badischen Innenministeriums schätzte die Lage richtig ein: Am 27. August 1933 war er in einem „Verzeichnis der Beamten in leitender Stelle, die für die NSDAP nicht tragbar sind“, genannt worden, das die Beamtenabteilung des Kreises Lörrach an das badische Innenministerium geschickt hatte. Den Nationalsozialisten war Häußners deutschnationale Gesinnung ein Dorn im Auge, und so war seine Versetzung als Wegloben nach oben zu verstehen. Der Vorgang bezüglich der Aufwandsentschädigung involvierte das Innenministerium, das die Auszahlung befürwortete, aber die Zustimmung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums einholen musste. Dieses verwies jedoch darauf, dass die Aufwandsentschädigung nicht Teil des Einkommens sei, sondern der Bestreitung der höheren Auslagen derjenigen Beamten diene, die Repräsentationsaufgaben wahrnehmen müssten, und für Häußners neue Position darum nicht anfalle.
In den Personalakten finden sich nicht zuletzt Dokumente, die (bestenfalls) unter der Kategorie „Anhänge“ subsumiert werden können. Sie ergänzen einzelne Schreiben oder Korrespondenzen und fanden deshalb Eingang in die Akten. Sie können auf Details einer Biographie und mit dieser in Zusammenhang stehender Ereignisse verweisen, die an anderer Stelle nicht oder nur schwer auffindbar sind, aber wichtige Ergänzungen darstellen. Insbesondere bei unterschiedlichen Auffassungen und Beurteilungen oder Nachfragen seitens der Behörde, beispielsweise zum politischen Engagement, finden sich längere Stellungnahmen, die entweder der Betroffene selbst oder eine mit ihm bekannte Person anfertigte. Der Regierungsassessor Carl Dornes fügte beispielsweise im Februar 1936 seinem zweiseitigen Schreiben, um dem Vorwurf entgegen zu treten, nur mangelnd in SA, bzw. SS aktiv zu sein, ein ärztliches Zeugnis bei, das ihm auf Grund eines Unfalls im Jahr 1929 dauerhafte Sportunfähigkeit attestierte. Zudem verwies Dornes auf einen Artikel in der Heidelberger Zeitung „Pfälzer Bote“, dem zu Folge er im Januar 1930 wegen einer Kneipenschlägerei vor dem Hintergrund einer Meinungsverschiedenheit mit einem ebenfalls sich zu den Nationalsozialisten zählenden Studenten vor Gericht gestanden hatte. Den Konflikt zwischen zwei Parteifreunden führte er als Beleg für seine bereits damalige nationalsozialistische Gesinnung an. Beide Informationen ergänzen die Angaben Dornes zu seiner Mitgliedschaft auf den Formblättern um Einblicke in seine Erlebnisse als nationalsozialistischer Student in der Zeit vor der Machtübernahme, die ansonsten bei der Recherche sehr wahrscheinlich unentdeckt geblieben wären.
Quellen:
GLA 466-2/1838 (S. 1-3)
GLA 466-2/1839 (S. 4-16)
GLA 466-2/9492 (S. 17-24)