Interner Schriftwechsel der SS über den württembergischen Beamten Dr. Gottlob Dill
Transkript der Quelle:
Die Überlieferung der Akten der NSDAP und ihrer Gliederungen im Bundesarchiv Berlin stellt einen wichtigen Bestand zur Erschließung der Hintergründe der württembergischen Landespolitik in der NS-Zeit dar. Das vorliegende Schreiben, ein interner Schriftwechsel der SS zu Personalfragen, entstand im Kontext der Bemühungen des württembergischen Beamten Gottlob Dill, in einen SS-Rang aufgenommen zu werden.
Dill hatte eine beeindruckende Laufbahn im Justizdienst und im Innenministerium Württembergs vorzuweisen: Der Apothekersohn und promovierte Jurist war 1919 nach einer Zeit als Gerichtsassessor in Ulm zum württembergischen Landespolizeiamt gewechselt. Zunächst oblag ihm die Leitung der Kriminalabteilung, seit 1921 stand er dem Amtsgerichts-Gefängnis von Stuttgart-Stadt vor. Seit 1923 wirkte er als Landrichter und später Landgerichtsrat in Stuttgart. Nach der Machtergreifung folgten Stationen als Stellvertreter des Reichkommissars für das Polizeiwesen in Württemberg (kurz darauf Polizeikommissars für Württemberg) Dietrich von Jagow. Im Rahmen dieser Tätigkeit war Dill in das Vorgehen gegen politische Gegner und die „Säuberung“ des württembergischen Polizeiapparates involviert. Noch im Frühjahr 1933 stieg Dill zum Ministerialdirektor, und damit zum ranghöchsten Beamten, im württembergischen Innenministerium auf und fungierte bald als Stellvertreter und damit „rechte Hand“ des württembergischen Innenministers Jonathan Schmid.
Das vorliegende Schreiben dient einer SS-internen Klarstellung des parteilichen Engagements von Gottlob Dill, um dessen Aufnahme in die SS zu rechtfertigen. Hierbei offenbart das Dokument dem Historiker verschiedene Strategien, die die nationalsozialistische Bewegung vor und nach der Machtergreifung im Jahr 1933 verfolgte, um ihre politische und gesellschaftliche Machtposition auszubauen.
Die bisherige Forschung hat konstatiert, Dill sei kein „alter Kämpfer“ gewesen. Erst am 12. April 1933 sei er (Mitglieds-Nr. 3.226.470) der NSDAP beigetreten. Da die hohe Mitgliedsnummer ihm später peinlich erschien, versuchte er, die Zuteilung einer niedrigeren Mitgliedsnummer zu erwirken. Staatssekretär Karl Waldmann erklärte später, Dill habe auf Wunsch von Gauleiter Murr als „Nichtparteigenosse“ für die nationalsozialistische Bewegung wertvollere Dienste leisten können, weshalb bewusst auf seinen Parteieintritt verzichtet wurde. So sei eine Aufnahmeerklärung Dills vom 1. April 1932 von Murr nicht weitergereicht worden. Erst im Jahr 1936 wurde ihm schließlich eine niedrigere Mitgliedsnummer (921.743) zugestanden.
Aus dem vorliegenden Dokument erfährt man nun zum einen die näheren Hintergründe dieses Manövers. „Ministerialdirektor Dr. Dill sympathisierte bereits vor der Machtübernahme mit der nationalsozialistischen Bewegung. Er trat jedoch erst 1933 der NSDAP offiziell bei, da er von Gauleiter Murr während der Kampfzeit den Auftrag erhielt, den Nationalen Hilfsdienst in Württemberg aufzubauen und die Partei nicht den Anschein erwecken wollte, als handle es sich dabei um eine nationalsozialistische Einrichtung.“ Dieses Zitat verweist darauf, dass die NSDAP in Württemberg offenbar den Nationalen Hilfsdienst, eine Form des Freiwilligen Arbeitseinsatzes zum Wohle der Allgemeinheit, unter der Leitung von Gottlob Dill seit 1932 gezielt ausbaute und ideologisch unterwanderte. Offenkundig sollte hiermit eine nach außen parteipolitisch neutrale, faktisch jedoch NSDAP-treue Organisation gestärkt werden, mit deren Hilfe die Nationalsozialisten Württembergs Teile der Bevölkerung erfassen und zu Gunsten des heraufziehenden NS-Regimes mobilisieren konnten. In der Tat wurde der Nationale Hilfsdienst nach der Machtergreifung im Juli 1933 dem nationalsozialistischen Reichsarbeitsdienst (RAD) eingegliedert, der eine wichtige Säule des nationalsozialistischen Erziehungssystems darstellte.
Die zweite Passage des Schreibens liefert einen wichtigen Hinweis auf die Strategie der NSDAP im Kirchenkampf, also den seit 1933 anhaltenden Auseinandersetzungen mit der evangelischen Landeskirche um deren geistliche und organisatorische Autonomie. Seit Ende Juli 1933 gehörte Dill als Vertreter der „Kampfgruppe Deutsche Christen“ für Stuttgart, einer nationalsozialistischen Gruppierung innerhalb des Protestantismus, dem neuen Evangelischen Landeskirchentag sowie dem Landeskirchenausschuss an. Er galt als Verbindungsmann des Innenministeriums zum Landesbischof Theophil Wurm. Das Dokument verweist auf die offenkundig von der NSDAP mit dieser Amtsübernahme Dills verdeckt verfolgte Absicht:
„Auf Veranlassung des Württ. Gauleiters und Reichsstatthalters wurde Dill im Jahr 1933 Mitglied des Dreier-Rats der ev. Landeskirche Württembergs mit dem Auftrag, diesen Dreier-Rat im nationalsozialistischen Sinne zu beeinflussen, zu beaufsichtigen und notfalls zu sprengen. Dill konnte daher bis jetzt noch nicht aus der ev. Landeskirche austreten, wie dies bei seinen Familienangehörigen der Fall ist, da er von seinem Auftrag im Dreier-Rat vom Gauleiter und Reichsstatthalter noch nicht entbunden wurde.“
In der Tat trat Gottlob Dill erst 1944 aus der Kirche aus. Im Rahmen des laufenden Forschungsvorhabens muss nun geklärt werden, inwieweit sich in anderen Quellenüberlieferungen weitere Spuren finden lassen, die die oben genannte Einsatzweise Gottlob Dills auf dem Feld der Kirchenpolitik untermauern. Für die Erforschung der NS-Herrschaft in Württemberg ist dies insofern von großer Relevanz, als die evangelische Landeskirche zu den bedeutendsten regionalen Faktoren gehörte, die dem NS-Regime Widerspruch und Widerstand entgegenzusetzen wussten.
Quelle: