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Erinnerungskultur am Bundesgerichtshof – ein Nachtrag

1957 ließ der Bundesrichter und damalige Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH) Hermann Weinkauff im ehemaligen Erbgroßherzoglichen Palais in Karlsruhe (heute Hauptgebäude des BGH) eine Gedenktafel anbringen, um an die „34 Mitglieder des Reichsgerichts und der Reichsanwaltschaft“ zu erinnern, „die in den Jahren 1945 und 1946 in den Lagern Mühlberg an der Elbe und Buchenwald umgekommen sind“. Seit geraumer Zeit wird eine Entfernung oder Kommentierung dieser Tafel gefordert, weil mit ihr unter anderem exponierten Vertretern der nationalsozialistischen Justiz gedacht wird, wie auch Frank Engehausen in seinem jüngsten Blogbeitrag berichtet hat. Ende Mai 2017 hatte der Deutsche Anwaltsverein (DAV) in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass nach wie vor „Gedenktafeln wie eine im Gebäude des Bundesgerichtshofes [existieren], mit welchen Mitgliedern des Reichsgerichts und der Reichsanwaltschaft gedacht wird, die nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in sowjetischen Internierungslagern umkamen.“ Der DAV forderte, „Gedenktafeln für NS-Juristen in Justizgebäuden jetzt abzuhängen oder eine andere Form des kritischen Umgangs mit ihnen zu finden“. Zuletzt forderte auch Volkert Vorwerk – Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof – die Entfernung der Tafel.

Infolge dieser geschichtspolitischen Diskussion und nach Vorbereitungen, die in das Jahr 2017 zurückreichen, ließ der Bundesgerichtshof auf Initiative der Präsidentin Bettina Limperg am 22. März 2018 eine Erläuterung neben die Gedenktafel anbringen, die darauf aufmerksam macht, dass „[u]nter den Personen, zu deren Gedenken diese Tafel bestimmt wurde, […] sich auch solche [befanden], die in der Zeit des Nationalsozialismus unter anderem auch an Unrechtsurteilen, zum Beispiel wegen ‚Rassenschande‘, beteiligt waren.“

Auf die Nachfrage des Autors betonte die stellvertretende Pressesprecherin des BGH Louisa Bartel, dass es dem Bundesgerichtshof bewusst sei, „dass sich unter den Personen, zu deren Gedenken die Tafel im Jahre 1957 bestimmt wurde, auch solche befinden, die in der Zeit des Nationalsozialismus an Unrechtsurteilen beteiligt waren oder in anderer Weise schwere Schuld auf sich geladen haben“. Allerdings lägen historisch gesicherte Informationen über die betroffenen Personen bislang nicht vor, anhand derer man „eine Entscheidung über den historisch angemessenen künftigen Umgang mit der Gedenktafel treffen“ könne.

Der BGH beauftragte den Zeithistoriker Michael Kißener und den Rechtshistoriker Andreas Roth, die Geschichte des Bundesgerichtshofs aufzuarbeiten. Ein zweites Forschungsvorhaben gilt besonders der Erinnerungskultur des Hauses, das den „Umgang der Nachkriegsjustiz mit dem Nationalsozialismus einschließlich der personellen Bezüge gerade auch beim Bundesgerichtshof“ untersuchen soll, so Bartel. Anhand der Forschungsergebnisse soll schließlich entschieden werden, ob die umstrittene Gedenktafel entfernt oder belassen wird. Bis dahin verweist die jüngst angebrachte Erläuterung auf den historischen Kontext und die in Auftrag gegebenen Forschungsarbeiten.

 

Umstrittene Gedenktafel im Bundesgerichtshof von 1957 (Foto: Pressestelle des BGH) | Klicken zum Vergrößern

Jüngst neben der Gedenktafel angebrachte Erläuterung mit Verweis auf historischen Kontext und ergangenen Forschungsauftrag (Foto: Pressestelle des BGH) | Klicken zum Vergrößern

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