Kriegsteilnehmer, jung, Parteigenosse. Bemerkungen zu den badischen Ministern
„Ein alter PG kann alles!“ Mit diesem Satz soll der Reichskommissar und spätere Reichsstatthalter von Baden, Robert Wagner, die Bedenken Walter Köhlers, der sich der ihm zugedachten Aufgabe als künftiger Leiter des badischen Finanzministeriums nicht gewachsen fühlte und diese zunächst ablehnte, beiseite gewischt haben. So schilderte es zumindest der ehemalige badische Ministerpräsident und Finanz- und Wirtschaftsminister in seinen in den 1970er Jahren verfassten Lebenserinnerungen und attestierte Wagner dabei zugleich „eine glückliche Hand“ in Personalfragen.
Die Personalpolitik Wagners soll hier nicht weiter bewertet werden, betrachtet man aber die von ihm ernannten Mitglieder der neuen badischen Regierung, fallen mehrere Gemeinsamkeiten auf. So waren alle drei nationalsozialistischen Minister alte und „verdiente“ Parteigenossen, die lange vor 1933 in die NSDAP eingetreten waren. Ihre verhältnismäßig niedrigen Parteimitgliedsnummern sprechen für sich: Die höchste war noch die des neuen Innenministers Karl Pflaumer, der 1929 eingetreten war und die Mitgliedsnummer 182.152 erhalten hatte; wegen seiner nationalsozialistischen Gesinnung war er im gleichen Jahr übrigens aus dem Polizeidienst entlassen worden. Kultusminister Dr. Otto Wacker, der die NSDAP-Ortsgruppe Offenburg bereits 1924 gegründet hatte, war Mitglied Nummer 22.948; er hatte die Schriftleitung des badischen Parteiorgans „Der Führer“ innegehabt. Köhler konnte mit der Nummer 8.246 sogar eine nur vierstellige Mitgliedsnummer vorweisen; er war 1925 in die Partei eingetreten und hatte die Ortsgruppe Weinheim aufgebaut, außerdem hatte er als Vorsitzender der NSDAP-Landtagsfraktion und Stellvertretender Gauleiter des Gaus Baden fungiert. Diesen Gau hatte Wagner Anfang 1925 gegründet; sein Parteibuch verzeichnete die Mitgliedsnummer 11.540.
Gemeinsam war den drei Ministern auch ihre badische Herkunft und Verwurzelung. Während Pflaumer und Köhler beide aus Nordbaden, nämlich Rauenberg/Wertheim und Weinheim, stammten, vertrat Wacker als Alemanne aus Offenburg den südbadischen Raum. Auf diese Ausgeglichenheit hatte der Reichsstatthalter, als gebürtiger Eberbacher selbst ein „Sohn unserer badischen Heimat“, wie Köhler in seiner Begrüßungsansprache an Wagner beim Staatsakt zu dessen Einsetzung am 8. Mai 1933 hervorhob, bei der Regierungsbildung geachtet.
Eine geteilte Erfahrung stellt außerdem der Erste Weltkrieg dar, an dem alle drei Minister ebenso wie der Reichsstatthalter als Kriegsfreiwillige teilgenommen hatten. Wie Wagner hatte auch Pflaumer dafür seine Lehrerausbildung abgebrochen, während Köhler bei Kriegsausbruch gerade seine Banklehre abgeschlossen und Wacker sich nach seinem Kriegsabitur 1917 freiwillig gemeldet hatte. Köhler und Pflaumer waren im Lauf des Krieges in britische beziehungsweise französische Kriegsgefangenschaft geraten.
Bei all dem, was die badischen Minister an soldatischen Pflichten für das Vaterland und im Kampf für die „nationale Erhebung“ bereits vor 1933 „geleistet“ hatten, ist der Begriff „alter PG“ mit Blick auf ihr Lebensalter dennoch keineswegs wörtlich zu verstehen. Mit 33, 35 und 36 Jahren – Wacker war im Jahr 1899 geboren, Köhler 1897 und Pflaumer 1896 – waren die drei nationalsozialistischen Politiker eher jung, als sie ihre Ministerämter im Mai 1933 antraten. Auch der Reichstatthalter war mit 37 Jahren nur geringfügig älter. Zum Vergleich: In der Riege der württembergischen NS-Minister gehörte nur Wirtschaftsminister Oswald Lehnich, Jahrgang 1895, dieser Altersklasse an. Ministerpräsident und Kultminister Christian Mergenthaler, Innen- und Justizminister Jonathan Schmid und Finanzminister Alfred Dehlinger hingegen waren mit Jahrgang 1884, 1888 und 1874 deutlich älter, nämlich 48, 45 und 58 Jahre alt. Die Mitglieder der badischen Vorgängerregierung wiederum waren bis auf den im Jahr 1892 geborenen Finanzminister Dr. Wilhelm Mattes alle bereits in den 1870er Jahren zur Welt gekommen: Staatspräsident und Justizminister Dr. Josef Schmitt 1874, Innenminister Dr. Erwin Umhauer 1878 und Kultusminister Dr. Eugen Baumgartner 1879. Als sie 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt wurden, waren sie also 58, 54 und 53 Jahre alt; Mattes stand in seinem 41. Lebensjahr.
Aus dem vergleichsweise jungen Altersprofil der badischen NS-Minister ergibt sich auch ein Spannungsverhältnis zu den ihnen unterstellten Ministerialbeamten. Denn als langjährige Staatsdiener waren diese zum Teil erheblich älter als ihre Vorgesetzten. Ob und inwiefern dies auch Auswirkungen auf Abläufe und Entscheidungen innerhalb der badischen Landesverwaltung hatte, wird sich im Verlauf des Forschungsprojekts zeigen.
Quellen:
Walter Köhler, Erinnerungen, 19. Juli 1976, in: Stadtarchiv Weinheim Rep. 36 Nr. 4298, S. 127
Der Führer, 9.5.1933